Asperger – Die nächste Evolutionsstufe?

Über einen meiner News Alerts bin ich auf folgenden TED-Talk von Juan Enriquez aufmerksam geworden: “Will our kids be a different species?

Ein sehr unterhaltsamer und empfehlenswerter Vortrag, auch wenn ich durchaus einiges an Kritik habe. Enriquez stellt hier mehrere steile Thesen auf und vermischt sie relativ diffus miteinander.

An einer Stelle stellt er die Frage auf, ob “Conditions” wie das Asperger-Syndrom evtl. Teil des evolutionären Drifts sein könnten und diskutiert verschiedene Ansätze, wie dies zu begründen sei. Besonders unterhaltsam finde ich hier den “Sexy Geek”-Effekt. 🙂

Alles hochspekulativ, aber dessen ist er sich bewusse. Deutlich wird dies z.B., als er über die stark ansteigenden Fallzahlen von Asperger eingeht (er sagt “autism” ich vermute aber, dass er nur Asperger meint):

But when you see an increase of that order of magnitude in a condition, either you’re not measuring it right or there’s something going on very quickly, and it may be evolution in real time.

Wie gesagt, inhaltlich ist das alles ziemlich fraglich und geht ziemlich steil. Was ich aber bemerkenswert finde, ist dass es das erste mal ist, dass ich einen Vertreter der Naturwissenschaften (insb. der Biologie), der nicht Teil des behindertenpädagogischen Diskurses ist, über Phänomene wie Autismus, ADHS o.ä. als etwas anderes als ein Defizit und medizinisches Problem sprechen höre, sondern als Ausdruck der Vielfalt der Spezies Mensch (die obendrein einen Fortschritt darstellen könnte).

Gut, dass der Diversity-Gedanke beginnt, auch in die Diskurse der Naturwissenschaften vorzudringen.

Nicht die Rating-Agenturen, sondern die Banken

Seit mit der Euro-Krise Griechenlandkrise EU-Schuldenkrise Fortsetzung der 2008er-Finanzkrise mehr und mehr Menschen verstehen wie das System der Rating-Agenturen funktioniert (Leseempfehlung: Nachdenkseiten: “Ratingagenturen – ein zutiefst korruptes System“), stellen sie fest, dass hier ein paar wenige private Unternehmen massiven Einfluss auf nationale und internationale Politik haben. Ich höre immer wieder in meinem Umfeld Aussagen wie “Es kann doch nicht angehen, dass Körperschaften, die niemand gewählt hat, niemandem gegenüber rechenschaftspflichtig sind, so viel Macht über das Leben so vieler Menschen haben können!”

So richtig die Einschätzung ist, dass das nicht angehen kann, entsteht das Problem meines Erachtens schon einen Schritt vorher. Warum haben Ratingagenturen diesen Einfluss? Wer gibt ihnen diese Macht? Antwort: Die Banken/große Finanzmarktakteure, die sich nach ihren Empfehlungen richten. Das Handeln der Ratingagenturen ist nur deshalb so relevant für nationale und internationale Politik, weil das Handeln der Banken so relevant für nationale und internationale Politik ist.

Das Problem entsteht meines Erachtens nicht an der Stelle des Systems, an der die Ratingagenturen ihre Macht erhalten, sondern schon vorher, an der Stelle, an der die Banken/großen Finanzmarktakteure ihre Macht erhalten. Und dann lässt sich auch gerne nochmals der Satz wiederholen: “Es kann doch nicht angehen, dass Körperschaften, die niemand gewählt hat, niemandem gegenüber rechenschaftspflichtig sind, so viel Macht über das Leben so vieler Menschen haben können!”

Ein erster Schritt zur Rückgewinnung dieser Macht in die Hände des Souveräns ist das Konzept, das (wenn ernst gemeint) den Neoliberalen Gänsehaut bereitet: “Finanzmarktregulierung”.


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Stephen Fry über das Leben, das Universum und den ganzen Rest…

Sehr sehenswertes Interview mit Stephen Fry über seine Kindheit, sein Weg zur Comedy, seine Erkrankung mit bipolarer affektiver Störung (Manische Depression), warum man fast alle Fragen des Lebens mit Star Trek erklären kann, und warum Douglas Adams ausgerechnet die 42 als DIE ANTWORT gewählt hat:


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Gysi und Ströbele zur Panzerlieferung an Saudi-Arabien

Gysis Wortbeitrag zur Anfrage bzgl. der Panzerlieferung an Saudi-Arabien:

Die Position der Bundesregierung zu der Thematik lässt sich mit: “Kein Kommentar, ist geheim!” zusammenfassen. Dazu hat Ströbele dann noch in einer Kurzintervention etwas zu sagen:

Wer sich auch noch für die restlichen Redebeiträge zu dem Thema interessiert: hier gibt es die Übersicht, hier den gesamten Tagesordnungspunkt als ein zusammenhängendes Video.

Update:
Der Einwand von Ströbele, das die Geheimhaltung ja durch die Bundesregierung verhängt ist, und von der Kanzlerin aufgehoben werden kann, um den Bundestag zu informieren, war offensichtlich auch Thema der Bundespressekonferenz. Laut Augen geradeaus hat Steffen Seibert dort jedoch verkündet, dass man auch nicht Stellung dazu beziehen könne, ob dieser Einwand stimme, da dies in der Geschäftsordnung des Sicherheitsrats geregelt sei, und die wiederum sei geheim. Weshalb “Augen geradeaus” auch zum Titel “Ob’s geheim ist, bleibt geheim.” kommt.

Diaspora User auf identi.ca bzw. status.net abonnieren

Da sowohl Diaspora, als auch status.net das OStatus-Protokoll verwenden, habe ich vor einigen Tagen laut auf Diaspora darüber nachgedacht, ob man sich nicht über die Netzgrenzen hinweg folgen kann.

Zumindest in eine Richtung funktioniert das auch tatsächlich. Ich habe mal experimenthalber in meinem identi.ca-Account meinen eigenen Diaspora-Account abonniert. Und siehe da, alles was ich bei Diaspora in die public timline (also “Welt”) poste, erscheint tatsächlich in meiner identi.ca-Timline, wie jedes andere status.net-Abonnement auch. Alles was nur an einzelne Aspekte gepostet wird, taucht natürlich nicht auf, ist ja auch gewünscht so.

Und so geht’s:

Beim eigenen identi.ca-Account (oder einer anderen status.net-Instanz) anmelden und rechts bei den Abos auf “Remote” klicken.

Dann den gewünschten Diaspora-User eintragen:

Auf “Weiter” und dann “Bestätigen” klicken und fertig.

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Neues aus dem Paralleluniversum – Westerwelle

Westerwelle bei Dreikönigsrede (Bild: tagesschau.de)

Westerwelle bei Dreikönigsrede (Bild: tagesschau.de)

Erinnert ihr Euch noch an meinen Taxifahrer aus einem Paralleluniversum? Als ich anfing, das Kommentar von Steffen Hebestreit zu Westerwelles heutiger Dreikönigsrede zu lesen, dachte ich für einen kurzen Moment, dass Herr Hebestreit aus genau jenem Paralleluniversum kommen muss:

Das liberale Wintertheater endet an diesem Dreikönigstag von Stuttgart mit einer ebenso kämpferischen wie überzeugenden Rede des alten und wohl auch künftigen Vorsitzenden der Freien Demokratischen Partei.

Es scheint aber eher so zu sein, dass Herr Hebestreit mit der Ironie heute ein wenig zu doll betrieben hat, so dass es meinem feierabendlich ermüdeten Geist beim ersten Lesen nicht gelang, sein Kommentar als Satire zu erkennen.
Eigentlich ist es nämlich ganz deutlich zu erkennen, dass nicht Herr Hebestreit aus dem Paralleluniversum stammt, sondern Herr Westerwelle und seine Partei:

Denn jetzt müssen die Liberalen nur noch das Kunststück vollbringen, den Rest der Welt von ihrer Weltsicht zu überzeugen.

Michael Spreng sieht das übrigens ähnlich, allerdings glaubt er, dass es zumindest noch das selbe Universum ist. Er nennt Westerwelles Rede eine “Rede vom anderen Stern“. Ich glaube, das ist mir zu nahe…

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Privatsphäre neu denken

In seinem Vortrag “Freedom in the cloud” (Audio und Video zum Download hier, Video bei Youtube hier und hier, Transkript hier) im Mai und dem Folgevortrag bei der Debconf im August hat Eben Moglen eigentlich vor allem darüber geredet, wie zukünftig die de-facto Server-Client-Struktur des Netzes zur ursprünglich gedachten “network of peers” zurückgeführt werden muss, um Freiheit zu ermöglichen.

Dabei kam aber ein spannendes Nebenprodukt heraus, das ich hier einmal kurz beleuchten möchte. Moglen hat vorgeschlagen, dass wir das Konzept “Privatsphäre” neu denken müssen:

They still think of privacy as “the one secret I don’t want revealed” and that’s not the problem. Their problem is all the stuff […] that they don’t think of as secret in any way but which aggregates to stuff that they don’t want anybody to know. Which aggregates, in fact, not just to stuff they don’t want people to know but to predictive models about them that they would be very creeped out could exist at all.

Die “they”, von denen er spricht, sind seine Jura-Studenten, die benutzt er aber in diesem Teil des Vortrags als Äquivalent für “Selbst Leute, die drüber nachgedacht haben müssten”.

Sinngemäße Übersetzung:

Sie verstehen unter Privatsphäre immer noch “Das eine Geheimnis, dass ich bewahren möchte.” Und dieses eine Geheimnis ist nicht das Problem. Das Problem sind all […] die Informationen, die sie nicht als geheim erachten, aber die zu Informationen zusammengeführt werden können, von denen sie nicht möchten, das jemand anders sie weiß. Die sogar zu Vorhersagemodellen über sie zusammengeführt werden können, wo sie sich gruseln würden, dass diese überhaupt existieren können.

Das Prinzip hinter dieser Zusammenführung ist einfach: Wenn ich genug weiß, kann ich durch Schlussfolgern auch die Lücken füllen, über deren Inhalt ich nichts weiß. Jeder, der schon mal ein Sudoku-Rätsel gelöst hat, kennt das.

Übertragen auf unser gesellschaftliches Leben mit dem Netz bedeutet das, dass ein Nutzer zwar entscheiden kann, dass er Information a irgendwo angibt (Quelle 1), weil sie kein Geheimnis ist. Dass er wo anders (Quelle 2) Information b angibt, weil sie kein Geheimnis ist usw. Information c gibt er nicht her, weil er sie als geheim/privat betrachtet.

Soweit so gut. Wenn jetzt aber jemand sowohl Zugang zu Quelle a, als auch zu Quelle b hat und aus einer dritten Quelle (die durchaus auch allgemein bekannt sein kann) noch die Information hat, dass wenn a und b zusammen auftreten immer auch c gilt, dann ist es um die Geheimhaltung von c geschehen.

Nun könnte man sagen: “Der Idiot, was gibt der auch Informationen preis, von denen er weiß, dass man private/geheime Informationen schlussfolgern kann!”

Und genau das ist der Knackpunkt. Das weiß er womöglich nicht. Und zwar aus 3 Gründen:

  1. Weiß er womöglich nicht, dass jemand Quelle 1 und Quelle 2 zusammenführen kann.
  2. Weiß er womöglich nicht, dass man aus a und b -> c herleiten kann.
  3. Ist das System aus Informationen womöglich deutlich komplexer als obiges Beispiel.

Solange noch alles wenig komplex ist, bleibt es für den Menschen noch überschaubar (Sudokus bewegen sich naturgemäß im Grenzbereich dieser Überschaubarkeit). Aber irgendwann wird die Komplexität der Zusammenhänge so hoch, dass es unmöglich wird, ohne Hilfe von Computern und/oder bestimmten Algorithmen einzuschätzen, auf welche Informationen sich aus den vorhandenen Daten schließen lässt.

Und genau an diesem Level an Komplexität sind wir angekommen. Wir platzieren einzelne Informationen, die kein Geheimnis sind, an unterschiedlichen Stellen und können ohne Computer nicht mehr einschätzen, ob sich mit Computern weitere Informationen daraus ableiten lassen.

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Linguee – Eine Art Folksonomy von Übersetzungen

Ich sammle gerade Daten zum Bildungssystem und zum System der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung in Finnland. Da ich des finnischen nicht mächtig bin (Überraschung!) arbeite ich mit den englisch-sprachigen Veröffentlichung der dortigen Behörden.

Auf der Suche nach einer angemessenen Übersetzung für den Begriff “National Board of Education” war ich zunächst unschlüssig. Ein “board” kenne ich als Aufsichtsrat, muss also eine Art Gremium sein. Aber “Nationaler Bildungsaufsichtsrat” oder “Nationales Bildungsgremium” sind dann ja doch eher ungeeignet. Und einfach “Bildungsrat” zu nehmen, schmeckt mir auch nicht, denn das wäre ja eher ein “council”. Als ich dann in deutsch-sprachigen Texten, die mir vorlagen auch noch die Übersetzungen “Nationale Bildungsbehörde” und “Zentralamt für Unterrichtswesen” gelesen habe, wurde es mir dann zu bunt.

Screenshot von LindueeAlso flugs gegooglet für Inspiration. Und da bin ich gleich beim ersten Suchergebnis auf einen Dienst namens “Linguee” gestoßen, der das Web nach Seiten durchsucht, die den gesuchten Begriff enthalten und von denen obendrein Übersetzungen in andere Sprachen vorliegen.

Da kriegt man also einen Überblick, wie andere das gleiche Übersetzungsproblem gelöst haben, also eine Art Folksonomy von Übersetzungen.

Momentan werden folgende Sprachen unterstützt (wenn auch noch nicht alle untereinander und auch nicht immer in beiden Richtungen):

  • Deutsch
  • Englisch
  • Spanisch
  • Französisch
  • Portugiesisch

Ich find’s einen praktischen und sinnvollen Dienst. Denn auf der Suche nach Inspiration für diese Übersetzung hätte ich ja auch nichts anderes gemacht, als mir anzuschauen, wie andere dies übersetzt haben und den Kontext zu überfliegen. Genau dies aggregiert (<- gibt’s das als deutsches Wort?) Linguee auf einer Seite.

Das Ergebnis meiner Suche sieht dann so aus: link .

In den Ergebnissen ist leider auch viel Murks dabei. Ein Beispiel kommt offensichtlich aus einem automatischen Übersetzer: Hier wird die Phrase “by a national or state board of education” mit “von einem Staatsangehörigen oder von einem Zustandsbrett der Ausbildung” übersetzt.

Schon allein dafür hat sich das ganze gelohnt 🙂 .An dieser amüsanten Geschichte sieht man auch, warum so eine Folksonomy eine gute Idee ist. Übersetzungen sind eine der Aufgaben, die Computer immer noch nicht wirklich hinbekommen. Hier also lieber die Lösungen von Menschen zusammenzufassen und darzustellen, macht ergibt einfach Sinn.

Und so bin ich dann auch direkt fündig geworden und habe mich für “Nationalen Bildungsausschuss” entschieden.

Kurz gebloggt: Wie es mit der Internetzensur weitergeht

Ein spannender Artikel auf Heise.de, in dem das weitere Vorgehen bezüglich der Internetzensur geschildert wird: Vorwärts Marsch zum Deutschnetz.

Die Autorin schildert den Weg zu einem komplett regulierten Deutschland-Netz, in dem alles gesperrt wird, was gegen deutsches Recht verstößt.

Wer die Debatte um das sogenannte Zugangserschwerungsgesetz verfolgt hat, weiß ja, dass die Entscheidung ob sperren oder nicht ohne richterliche und ohne demokratische Kontrolle geschieht. Das Szenario, das die Autorin zeichnet ist also alles andere als harmlos.