Ideenpatente in der Presse?

… wenn es nach den großen Verlagen geht, ja.

Sie nennen es zwar anders, aber das Ideenpatente ist es, worum es geht.

Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, nennt es “Leistungsschutzrecht” und betreibt bereits Lobby-Arbeit, um unseren frisch gewählten Gesetzgeber in dieser Richtung zu beeinflussen. Es geht um eine bisher ungekannte Erweiterung des Urheberrechts.

In diesem Artikel der Message-Online, auf den ich durch Netzpolitik aufmerksam wurde, sagt er:

Es kann nicht sein, dass die einen – die Verlage – heute mit viel Geld und Aufwand Inhalte schaffen. Und andere – Online-Anbieter und Suchmaschinen – bedienen sich für lau und vermarkten es.

In genanntem Artikel werden dann auch verschiedene Varianten genannt, wie der “Schutz” für die professionell erarbeiteten Inhalte dann aussehen könnte.

Erstens den Grundsatz des Urheberrechts ändern. Der lautet: Informationen als solche sind nicht schützbar. Die zweite Möglichkeit wäre, Meldungen vermischten Inhalts nicht mehr unter den Urheberrechtsschutz fallen zu lassen. Als Drittes könnten die Anforderungen an den Urheberrechtsschutz gesenkt werden – etwa indem die Überschrift eines Artikels schutzfähig wird. Dann könnte auch eine Überschrift, etwa aus der New York Times, nicht mehr ohne Erlaubnis verwendet werden, um auf den entsprechenden Artikel hinzuweisen.

Ein Medienrechtler namens Branahl wird in dem Artikel weiter zitiert:

Auf diese Weise nicht mehr schöpferische Leistungen zu schützen, sondern die darin steckende Information, wäre ein Bruch mit sämtlichen kontinentalen Freiheitstraditionen. Jemand, der eine Nachricht als Erster verbreitet, hätte eine Monopolstellung und könnte die Verbreitung von Informationen verhindern.

Mal davon abgesehen, dass es sich meines Erachtens hier um eine Beschneidung der Pressefreiheit und letztendlich auch um eine Beschneidung des Rechts auf freie Meinungsäußerung handelt, sieht es also mal wieder nach einem “Intellectual Property”-Right aus, mit dem sich große Firmen versuchen, Ihre Gewinne zu sichern. Dabei wird aber außer acht gelassen, dass das alleinige Existenzrecht von Patentrecht, Urheberrecht, Markenrecht etc. das Interesse der Öffentlichkeit ist, mehr Forschungsergebnisse, mehr Kulturgüter, mehr Nachrichten etc. also allgemein: mehr Informationen. Es sind keine Einrichtungen, die direkt dazu da sind, mehr Geld an Rechteinhaber fließen zu lassen. Das Geld ist Mittel zum Zweck. Für mehr Informationen für die Öffentlichkeit.

Rechtsveränderungen, die zwar mehr Geld für Rechteinhaber, aber weniger Informationen für die Öffentlichkeit bedeuten, sind nicht in öffentlichem Interesse und sollten daher auch nicht vom Gesetzgeber umgesetzt werden.

Perfiderweise argumentieren die Lobbyisten sogar mit dem Thema Pressefreiheit, um diese Beschneidung der Pressefreiheit zu begründen:

Am 9. April erschien unter der Überschrift »Kopierte Inhalte – Schutzlos ausgeliefert im Internet« in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein ausführliches Essay. Der Autor behauptet darin, dass eine Analyse des geltenden Zivil- und Urheberrechts zu der Erkenntnis führe, »dass es an einem durchsetzbaren originären Investitionsschutz für den Presseverleger fehlt. Ein Schutz der Leistungen des Presseverlegers in der digitalisierten Welt muss aber vom Gesetzgeber garantiert werden, da eine Demokratie ohne Presse und Pressevielfalt nicht lebensfähig ist. Dazu bedarf es eines Leistungsschutzrechts der Presseverlage.«

Monopolstellungen zum Erhalt der Pressevielfalt. Aha…

Google = Pirate Bay?

Über Slashdot bin ich auf einen interessanten Artikel bei Forbes aufmerksam geworden. Hier wird diskutiert, was eigentlich der Unterschied ist zwischen der “Urheberrechtsverletzung” (<- Dieses Wort setze ich in 99% der Kontexte in Anführungszeichen) die durch die Dienstleistung von Pirate Bay möglich wurde und der Möglichkeiten, die durch die Leistungen von Google entstehen.

  • Die Argumentation mit der Pirate Bay beschuldigt wird ist, dass sie ihren Usern ermöglichen, urheberrechtlich geschütztes Material zu finden und dann von anderen Quellen herunterzuladen.
  • Das selbe tut Google auch.

In dem Artikel diskutiert der Autor vor allem die Tatsache, dass man über Google ebenso Torrents finden kann wie über Pirate Bay, Isohunt oder andere Dienste.

Warum also ist das was Pirate Bay tut illegal, während das was Google tut legal ist?

Das wesentliche Argument, das bei der Beantwortung dieser Frage fällt, ist die Annahme, dass die Anzahl der legalen Verwendungen der Dienstleistung von Google die Anzahl der illegalen Verwendungen signifikant übersteigt, während bei Pirate Bay der primäre Sinn der Dienstleistung im Auffinden urheberrechtlich geschützten Materials liegt.

Klingt zunächst einmal plausibel, solange man seinen Blick nur auf Torrents beschränkt.

Allerdings ist alles, was im Netz zu finden ist, urheberrechtlich geschützt ist, es sei denn, das betreffende Material wurde von den Urhebern (wie in manchen Ländern möglich) in die Public Domain entlassen oder unter einer Copyleft-Lizenz veröffentlicht. Das heißt, in etwa 99% des im Internet befindlichen Materials sind urheberrechtlich geschützt.

Mit dieser Überlegung kann man also klar formulieren, dass der primäre Sinn der Dienstleistung von Google im Auffinden urheberrechtlich geschützten Materials liegt.

Nun könnte man argumentieren, dass all dieses urheberrechtlich geschützte Material von den Urhebern veröffentlicht wurde und daher ein Verweis auf diese Eigenveröffentlichung nicht gegen die Interessen des Urhebers sein sollte, während z.B. bei Filmen oder MP3s die Urheber keine frei verfügbare Veröffentlichung vorgenommen haben.

Aber auch diese Überlegung ergibt nur in einer eingeschränkten Perspektive Sinn. Sie geht nämlich davon aus, dass im wesentlichen alle Urheber ihre Werke auf eine ähnliche Weise veröffentlichen wollen wie es die großen Filmfirmen, Plattenfirmen und Verlage tun. Nämlich durch auszugsweisen freien Zugriff (Trailer, Leseproben etc.) und kostenpflichtigen, beschränkten Zugriff auf das volle Werk.

Das Urheberrecht gibt dem Urheber aber in die Hand, Unmengen von Bedingungen an die Konsumption seines Werkes zu stellen. Hierzu gehören sowohl EULAs wie sie in der proprietären Software-Welt Gang und Gäbe sind, Copyleft-Lizenzen, Creative Commons-Lizenzen etc.

Theoretisch könnte der Rechteinhaber die irrsten Dinge fordern, bis hin zu: “Ich erlaube nur denjenigen, diesen Text zu lesen, die vorher einmal auf einem Bein durch den Raum hüpfen, in dem sie sich gerade befinden.”

All diese Diversität von Bedingungen, die das Urheberrecht mit sich bringen kann, werden von Google ebensowenig systematisch berücksichtigt wie von Pirate Bay. Der Unterschied zwischen den beiden Diensten liegt vor allem in der Frage, auf die Interessen welcher Rechteinhaber nehme ich Rücksicht und auf welche nicht. Und zwischen großen gewinnorientierten Unternehmen wie Google und z.B. Warner oder Disney lässt sich doch leicht ein “agreement” finden.

Auch wenn der Autor des Artikels diese Überlegung nicht selbst anstellt, so zitiert er im Zusammenhang mit Torrents Eric Garland von Big Champagne. Dieses Zitat lässt sich meines Erachtens auch gut auf die weitere Perspektive anwenden:

“I’ve argued for years that the real battle rights holders are fighting isn’t with individual users or file-sharing sites, but with search,” Garland says. “As long as there’s robust search that allows people to find the titles they’re seeking, you will have this problem, period.”

Hieran wird deutlich welche Folgen die Gegenüberstellung von Google und Pirate Bay hat:

Entweder eine Gesellschaft gibt den Urhebern weitreichende Rechte in die Hand, dann muss sie konsequenterweise auch auf Dienste wie Google verzichten, oder sie gelangt zur Erkenntnis, dass das Urheberrecht (und besonders seine internationale “Harmonisierung”) einer wesentlichen Reform bedarf, die die Frage nach dem gesellschaftlichen Nutzen des Urheberrechts ernsthaft stellt.