US-Politiker: Behinderte Kinder sind Strafe Gottes für Abtreibung

Ich muss echt regelmäßiger auch meine englisch-sprachigen Quellen sichten. Dann wäre mir nicht entgangen, dass im Februar 2010, Robert G. Marshall ein US-Abgeordneter aus dem House of Delegates des Staates Virginia wahrlich mittelalterliche Thesen verkündet hat:

The number of children who are born subsequent to a first abortion with handicaps has increased dramatically. Why? Because when you abort the first born of any, nature takes its vengeance on the subsequent children.

Übersetzung des Zitats:

Die Anzahl behinderter Kinder, die Müttern geboren werden, die ihr erstes Kind abgetrieben haben, ist dramatisch angestiegen. Warum? Wenn man das Erstgeborene von egal wem abtreibt, dann nimmt die Natur Rache an den nachfolgenden Kindern.

Jetzt könnte man ja denken, dass der Mann womöglich glaubt, es gebe tatsächlich ernstzunehmende Daten, die einen medizinischen Zusammenhang zwischen Abtreibung des ersten Kindes und der Behinderung weiterer Kinder nahelegen und diesem Glauben sehr unglücklich Ausdruck verliehen hat.
Aber nein, er weiß auch genau, warum das alles so ist. Seine Erklärung steht in der Bibel:

Der Herr sprach zu Mose: Erkläre alle Erstgeburt als mir geheiligt! Alles, was bei den Israeliten den Mutterschoß durchbricht, bei Mensch und Vieh, gehört mir. (Exodus 13:1-2)

Er erklärt:

In the Old Testament, the first born of every being, animal and man, was dedicated to the Lord. There’s a special punishment Christians would suggest.

Übersetzung des Zitats:

Im Alten Testament wurde das Erstgeborene eines jeden Wesens, ob Tier oder Mensch, dem Herrn geweiht. Wir haben es hier also mit einer besonderen Bestrafung zu tun, würden wir Christen sagen.

Also unter dem Strich: Behinderte Kinder sind Gottes Strafe für Abtreiberinnen (<- Na klar werden hier nur die Frauen bestraft, oder?), die dem Herrn das ihm zustehende Erstgeborene vorenthalten.

Wer es nicht glauben mag, hier gibt’s das Zitat auch zu hören: (Was danach in der Sendung kommt, ist auch ganz spannend. Geht aber nicht um Abtreibung oder Behinderung, sondern um Diskriminierung von Homosexuellen in Virginia)

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Davon abgesehen hat seine Logik auch noch in sich ein Loch. Wenn es Gottes Strafe ist, wieso verzeichnen wir dann jetzt angeblich einen dramatischen Anstieg von Geburtsdefekten, die auf eine Abtreibung folgen? Fand Gott es früher nicht so tragisch und hat es sich jetzt anders überlegt?

Inzwischen hat Mr. Marshall (der in manchen US-Blogs inzwischen Sideshow-Bob genannt wird [1] [2]) sich für seine Äußerungen entschuldigt sein Bedauern dafür zum Ausdruck gebracht, dass seine Worte missverstanden wurden.
Diese Sorte Nicht-Entschuldigung gehört ja für viele Politiker zum normalen Sprachgebrauch. Es kommt aber auch eine klare Aussage hinterher:

I don’t believe that disabled kids are God’s punishments, period, end of discussion.

Übersetzung des Zitats:

Ich glaube nicht, dass behinderte Kinder Gottes Strafe sind. Punkt. Ende der Diskussion.

Hört sich soweit gut an. Auf die Frage des Interviewers, was er denn dann sagen wollte, sagt Marshall, dass er lediglich auf den medizinischen Zusammenhang zwischen Abtreibung und bestimmten angeborenen Defekten hinweisen wollte und zitiert dabei verschiedene medizinische Fachzeitschriften.
Und schiebt dann noch ein Schmankerl hinterher:

This is nature. It’s the same thing if you’re talking about getting drunk. If God made nature, and made alcohol with certain characteristics, He’s not to blame for me getting drunk and getting in a car and killing someone, […]. This is the order of nature. You do these things, you pay consequences. That’s not controversial.

Übersetzung des Zitats:

Das ist einfach die Natur. Es ist das gleiche Prinzip, wie wenn wir über das Saufen reden. Wenn Gott die Natur gemacht hat und Alkohol mit bestimmten Eigenschaften ausgestattet hat, dann ist ER nicht schuld, wenn ich mich besaufe, ein Auto besteige und jemanden totfahre. Das ist die Ordnung der Natur. Wenn man diese Dinge tut, dann muss man die Konsequenzen tragen. Das ist doch unstrittig.

Wie soll man das verstehen, Mr. Marshall? Gott straft nicht aktiv im Moment der Geburt des zweitgeborenen Kindes, aber er richtet die Natur so ein, dass man schon die Konsequenzen trägt, wenn man ihm das ihm zustehende Erstgeborene enthält? Für mich hört sich das weiterhin sehr nach Strafe an.

That’s not controversial? Like hell it is…

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Bild und Text – Mal volle Absicht

Häufig werden wir in der Presse mit Texten konfrontiert, die für sich genommen sachlich richtig sind und wenig Angriffsfläche für Gegenargumente sind, einfach weil in ihnen wenig gesagt wird. Erst durch die hinzugefügten Bilder entfalten sie ihre Wirkung, deren Intention sich dann aber immer noch abstreiten lässt. Schließlich war es ja der Leser, der die Interpretation vorgenommen hat, das Text und Bild zusammengehören…

In der Fernsehwelt ist dies noch mehr an der Tagesordnung als in der Print- und Onlinewelt.

Für alle die jetzt sagen: “BEIIIIISPIEL!!!!”, eines bei dem oben beschriebener Effekt schön zu sehen ist, aber im Gegensatz zu oben beschriebenen Medien mit voller Absicht einen recht harmlosen Text unter Zuhilfenahme von Bildern zu einer alles andere als harmlosen Rezension der Osterrede von Bischof Mixa werden lässt:

http://www.ruhrbarone.de/atheismus-und-massenmord/

Den Autor dieses Artikels kritisiere ich dafür übrigens ausdrücklich nicht. Schließlich betreibt er die Untermalung mit Bildern so vehement, dass an der intendierten Wirkung keinerlei Zweifel bestehen kann.