Attac und "Die Zeit"

Das Netzwerk attac hat gestern in verschiedenen deutschen Städten eine Wunsch-Ausgabe der Zeit vom 1. Mai nächsten Jahres verteilt, in der eine mögliche Zukunft beschrieben wird, die auf ein verantwortliches Handeln der Politik in der Finanzkrise folgen könnte. Auf dem Titel prangen Überschriften wie “Am Ende des Tunnels” und “Die neue Machbarkeit”.

Die Printvariante

Die Printvariante

Die Printausgabe ist sehr professionell gestaltet, so dass es sich tatsächlich um eine echte Ausgabe der Zeit handeln könnte. Eine PDF der Druckfahne gibt es zum Download . Sie wird auch der morgigen Ausgabe der TAZ beiliegen.

Doch dem nicht genug, attac hat sich obendrein die Domain www.die-zeit.net zugelegt und dort das Ganze auch noch als Plagiat von Zeit-Online abgelegt, die nicht weniger aufwendig gemacht ist.

Die Online-Variante

Die Online-Variante

Eine echt tolle Aktion, die nicht nur aufsehenerregend ist, sondern auch inhaltlich spannend zu lesen ist.

www.die-zeit.net

Das ganze diente dazu, auf die Arbeit von attac im allgemeinen, die Gefahren und Chancen der Finanzkrise im speziellen und die Demonstrationen am 28. März im ganzdolleallerspeziellsten hinzuweisen.

Die echte Zeit hat inzwischen auch schon darauf reagiert: Attac kopiert ZEIT-ONLINE und DIE ZEIT

Lernen und Wiederholung

Kurze Notiz zum Nachdenken:

Heute habe ich mit meinen Teilnehmern eine spannende Diskussion geführt zum Thema: Ist lernen nur im Rahmen wiederholter Erfahrungen möglich, oder kann man auch bei einem einmaligen Erlebnis etwas lernen?

Die Argumentation, dass Lernen durchaus auch aus einmaliger Erfahrung möglich sei sah folgendermaßen aus:

  • Wenn ein Mensch beim allerersten Mal, als er auf die Herdplatte fasst, das Pech hat, eine heiße Herdplatte zu erwischen, lernt er direkt, dass man nicht auf die Herdplatte fassen darf.

Die Argumentation, dass Lernen erst bei wiederholter Erfahrung stattfindet, sah so aus:

  • Oben genannter Mensch wird erst dann wirklich etwas über die Herdplatte gelernt haben, wenn er ein weiteres Mal auf die Herdplatte gefasst hat und festgestellt hat, dass Sie nicht immer heiß ist.

Das hat mich sehr an Weizsäcker erinnert, der schreibt:

Erst die Zweitmaligkeit gibt der Erstmaligkeit Realität, Einmaligkeit gibt es nicht. (WEIZSÄCKER, E. v.: Erstmaligkeit und Bestätigung als Komponenten der pragmatischen Information. In:
Ders. (Hrsg.): Offene Systeme I. Beiträge zur Zeitstruktur von Information, Entropie und Evolution.
Stuttgart 1986)

Soweit erstmal…

Sprache und Erinnerung

Ich bin ja immer auf der Suche nach weiteren Erkenntnissen und Ergebnissen zur Rolle von Worten als Denkwerkzeugen.

Auf der Seite von Psychological Science, einer amerikanischen psychologischen Fachzeitschrift fand ich gestern eine News-Meldung, die diesbezüglich meine Aufmerksamkeit erregte: What I Was Doing vs. What I Did: How Verb Aspect Influences Memory and Behavior.

Die Autoren haben ein spannendes Experiment durchgeführt zur Frage, wie die Art und Weise, wie wir eine Aufgabe sprachlich beschreiben, unsere Erinnerung an das Ereignis beeinflussen.

In dem Experiment wurden Probanden mit der Lösung sogenannter “Word-Puzzles” beauftragt. Nach Bearbeitung der Aufgaben wurden einige Probanden aufgefordert, die gerade durchgeführte Tätigkeit zu beschreiben und dabei die englische Zeitform imperfective zu verwenden: “I was solving word puzzles.” Also eine Formulierung, bei der der Fokus auf den Prozess gelegt wird, die beschriebene Handlung nicht unbedingt als abgeschlossen angesehen wird.

Andere Probanden wurden aufgefordert, das selbe in der Zeitform perfective: “I solved word puzzles.” Also eine Formulierung, bei der die beschriebene Handlung als abgeschlossen betrachtet wird.

Anschließend wurden die Probanden mit Gedächtnisaufgaben zu Ihren Word-Puzzles betraut oder mit der Lösung ähnlicher Word-Puzzles beauftragt. Diejenigen Probanden, die das imperfective verwendet hatten brachten bei beiden Aufgaben deutlich bessere Leistungen.

Die Autoren schließen daraus, dass die sprachliche Formulierung, die zur Beschreibung der Aufgabe verwendet wird, die Art und Weise, wie die Erinnerung an die Aufgabe “abgespeichert” wird beeinflusst.

Also in meinen Worten kurz zusammengefasst: Wenn sprachlich eine Formulierung verwendet wird, die den Verlauf eines Ereignisses in den Vordergrund stellt, wird auch die Erinnerung an das Ereignis verlaufsorientiert sein. Wenn jedoch eine Formulierung verwendet wird, die das Ergebnis eines Ereignis in den Vordergrund stellt, wird auch die Erinnerung an das Ereignis ergebnisorientiert sein.

Der Artikel wird in Psychological Science zwar erst noch veröffentlicht werden, aber auf der Website der Forschungsgruppe einer der AutorInnen findet sich der wissenschaftliche Artikel als PDF-Download.

Meines Erachtens ist er einen näheren Blick wert, auch wenn ich als Behindertenpädagoge bestimmt wieder andere Schlussfolgerungen ziehe, als die AutorInnen.

Neuigkeiten aus dem Überwachungsstaat

Immer wieder höre ich Menschen um mich herum sagen (und auch ich selbst habe diesen Satz schon das ein oder andere Mal sinngemäß geäußert):

“Wahrscheinlich wird in Deutschland viel mehr überwacht als vom Grundgesetz her erlaubt ist. Die hören uns viel flächendeckender ab als sie zugeben.”

Falls dieser Satz stimmt, dann sind wir längst im Überwachungsstaat angekommen. Wenn ich mir nämlich durchlese, was Innenstaatssekretär August Hanning (quasi Schäubles rechte Hand) in einem Taz-Interview ganz offen zugibt und auch offensiv vertritt, will ich mir gar nicht mehr vorstellen, wie die Überwachungsrealität aussieht.

Ein paar Beispielhafte Zitate:
1. Das erste klingt noch wie eine unabsichtliche unglückliche Formulierung:

Taz: Für unzulässig halten Sie eine Rund-um-die Uhr-Überwachung aber nicht?

Hanning: Diese Frage ist hypothetisch. So viel Personal hat die Polizei doch überhaupt nicht[…]

2. Das zweite spricht schon eine deutlichere Sprache:

Taz: Soll es zum Schutz der Privatsphäre Bereiche geben, in die der Staat verlässlich nicht hineinschauen darf?

Hanning: Natürlich nicht. Wenn man ein Vakuum lässt, ist klar, dass dies zur Verabredung von Verbrechen genutzt wird. Kein Rechtsstaat der Welt wird sich Bereiche leisten, die jeglicher staatlicher Überwachung entzogen sind.

Ich sehe das anders. Meines erachtens muss sich ein Rechsstaat Bereiche leisten, die jeglicher staatlicher Überwachung entzogen sind.

3. Und zu guter letzt gibt es richtig Butter bei die Fische. Auf die Frage, wie es denn mit der Achtung des “Kernbereiches der privaten Lebensführung” aussieht, dem laut Bundesverfassungsgericht absoluter Schutz zukommt, antwortet er nach einem kurzen Lippenbekenntnis, dass dieses natürlich geachtet werde:

Und Gespräche über kriminelle Pläne gehören laut Bundesverfassungsgericht nie zum Kernbereich des Privatlebens.

Klare Sache, das. Der Kernbereich des Privatlebens ist also geschützt, aber um rauszufinden, ob ein Gespräch zu diesem Kernbereich gehört, muss man es ja schließlich erstmal abhören…

Und falls Sie sich jetzt in Überlegungen ergehen, dass die Behörden ja bestimmt von vorne herein sortieren, je nachdem, wo das Gespräch geführt wird:

Taz: Egal wo sie geführt werden?

Hanning: Ja. […]

Klarer geht’s nicht, oder?

Von Unten nach Oben?

Huiuiui, mit den Grünen ist es weit gekommen, dass der Taz solche Fehler passieren und kein Redaktionsmitglied drüber stolpert. In einem Artikel zum neuen Wahlprogramm der Grünen, wird doch glatt konstatiert, dass die Partei

“ein gut Teil Umverteilung von unten nach oben verlangt.”

Hm.. vermutlich ist doch eher von oben nach unten gemeint. Andererseits, wer mit der FDP koalieren möchte, kann ja auch gleich sagen, wo’s langgeht…

P.S.: Der Artikel ist vom 07.03.09, bis zum jetzigen Zeitpunkt (09.03.09, 11:57) ist noch keine Korrektur erfolgt. Da dies bestimmt noch geschehen wird, hänge ich einen Screenshot zur Dokumentation an.vonuntennachoben

Bevorzugt das Gehirn bestimmte Satzstrukturen?

Gibt es grammatikalische Strukturen, die unserem Gehirn mehr liegen als andere? Forscher der University of Chicago, genauer die Autoren des Aufsatzes “The Natural Order of Events: How Speakers of Different Languages Represent Events Nonverbally” glauben, Hinweise darauf gefunden zu haben.

Ihre Untersuchung:

  • 10 Personen, deren Muttersprache Englisch ist
  • 10 Personen, deren Muttersprache Mandarin-Chinesisch ist
  • 10 Personen, deren Muttersprache Spanisch ist
  • 10 Personen, deren Muttersprache Türkisch ist

Diesen 40 Personen wurden kurze Videosequenzen einfacher Tätigkeiten vorgeführt (z.B. eine Frau dreht einen Türknopf) vorgeführt.
Danach wurden sie gebeten, den Inhalt dieser Videosequenzen

  • erst sprachlich wiederzugeben
  • und dann nur mit Gesten.

Bei der sprachlichen Wiedergabe folgten die Versuchspersonen den grammatikalischen Regeln ihrer Sprache. Die Sprecher des Englischen, Mandarin und Spanischen formten Sätze in der Reihenfolge

Subjekt – Verb – Objekt (SVO-Form),

also zum Beispiel: “Frau – dreht – Türknopf“. In dieser Form würde der Satz auch in der deutschen Sprache gebildet werden.
Die Sprecher des Türkischen bildeten den Satz in der Form:

Subjekt – Objekt – Verb (SOV-Form),

also z.B. “Frau – Türknopf – dreht“.

Bei der non-verbalen Wiedergabe wendeten alle Sprecher eine Form unabhängig von der eigenen Sprache an. Nämlich die SOV-Form.

Daraus schließen die Autoren des Artikels, Weiterlesen

Mahler muss in den Knast

So, wie tagesschau.de vermeldet muss Horst Mahler zumindest wegen seines Hitlergrußes beim Antritt seiner letzten Haftstrafe vor einem Jahr wieder ins Gefängnis. Sechs Monate (die Staatsanwaltschaft hatte neun Monate verlangt).

So langsam, wie die Mühlen der Justiz mahlen (nein ich mache jetzt keinen Kalauer über Mahler und mahlen…), wird er aber vermutlich wieder auf freiem Fuß sein, bevor er dann wegen seiner Handlungen und Äußerungen im Interview mit Michel Friedman (hoffentlich) wieder verurteilt wird.

Welches Interview? Na das, das ausgerechnet Vanity Fair abgedruckt hat…

Google als Cracker-Tool

Das ist mal eine verrückte Geschichte:

  1. Blog wird von einem Cracker lahmgelegt.
  2. Blogbesitzer (der übrigens größtenteils über Computer-Sicherheit bloggt) macht sich auf die Suche, wie der Cracker das geschafft hat.
  3. Blogger findet einen Account den der Cracker angelegt hat, denkt sich: wäreinteressant, das Passwort dieses Accounts zu kennen.
  4. Blogger holt sich den MD5-Hash des Passworts (in diesem Format merkt sich die Blog-Software WordPress, wie die Passwörter lauten) aus der Datenbank und versucht, es zu knacken. Mit klassischen Crackermitteln (verschiedene Wörterbuchsuchen) -> kein Erfolg
  5. Blogger gibt den Hash bei Google ein. An erster Stelle von Googles Ergebnis : eine Stammbaumseite, die sich mit dem Namen “Anthony” beschäftigt.
  6. Blogger versucht “Anthony” als Passwort -> stimmt!

Schlussfolgerung: Wenn ein Passwort all zu gewöhnlich ist, kann es also durchaus sein, dass es zu anderen Zwecken von anderen Menschen bereits genutzt wurde, und dass die unendlichen Weiten der von Google indizierten Daten auch den Hash des Passworts beinhalten.

Falls Ihr jetzt unruhig werdet: Einer der Leser des betroffenen Blogs hat ein nettes kleines Script geschrieben, dass aus Klartext Google-Suchanfragen nach den entsprechenden Hashes erzeugt, die sich dann per Copy & Paste in den Browser packen lassen. Nettes Spielzeug.