Arbeitsmarkt: Menschen mit Behinderung nicht mitgezählt

Am 13.01.2011 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Sachstandsbericht zur Evaluation arbeitsmarktpolitischer Instrumente veröffentlicht. CDU, CSU und FDP hatten 2009 im Koalitionsvertrag (Link: PDF) vereinbart, dass alle arbeitsmarktpolitischen Instrumente (ABM, “Arbeitsgelegenheiten” und dergleichen) evaluiert werden, so das BMAS. Es bezieht sich dabei vermutlich auf folgenden Absatz des Koalitionsvertrages (S.22):

Aufgabenkritik der Bundesagentur für Arbeit

[…] Die Aufgaben und Strukturen der BA sind einer Aufgabenkritik zu unterziehen, um eine möglichst effiziente Dienstleistung für die Bürgerinnen und Bürger zu erzielen.
Grundsätzlich gilt, dass finanzielle Mittel und das Personal der jeweiligen Aufgabe folgen.

Bei der Gestaltung dieser effizienten Dienstleistung hat die Regierung hier also die Absicht, das tun der Bundesagentur für Arbeit zu evaluieren, um finanzielle und personelle Ressourcen innerhalb der BA da hin zu verteilen, wo am meisten Wirkung erzielt wird. Mal davon abgesehen, dass man diesen Satz auch schlicht als “Wir geben kein zusätzliches Geld für Arbeitsmarktpolitik aus.” interpretieren kann, interessiert mich natürlich, wie die Leistungen zur Eingliederung ins Arbeitsleben von Menschen mit Behinderung bei diesem Prozess abschneiden.

Kurz gesagt: Gar nicht.
Sie tauchen nämlich in dem Sachstandbericht nicht wirklich auf. Nur an einer Stelle, nämlich da, wo uns mitgeteilt wird, dass man sie nicht mitgezählt hat (S. 17):

Nicht diskutiert werden etwa der Eingliederungszuschuss für besonders betroffene schwer behinderte Menschen, sowie Sonderregelungen für behinderte Personen.

Man kann nur spekulieren, was das bzgl. der Ressourcenverteilung für diese Maßnahmen bedeutet. Im besten Fall könnte man sagen: “Was nicht evaluiert wird, steht nicht auf dem Prüfstand. Hier wird also weder Geld hinzugefügt, noch weggenommen.”, Im schlechtesten Fall: “Das wurde nicht evaluiert, weil es ohnehin in der Prioritätenliste ganz weit unten steht.” Eine dritte, m.E. aber recht unwahrscheinliche Erklärung wäre noch, dass die Gelder, die im Bereich Eingliederung ins Arbeitsleben für Menschen mit Behinderung fließen, im Vergleich zu anderen Bereichen so klein sind, dass sie nicht interessieren. Zwar bezahlt die BA die Grundsicherung nach SGB II, dass die meisten Menschen mit Behinderung, die nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sind, empfangen, aber die Maßnahmen für diesen Personenkreis trägt die BA nur anteilig.
Nimmt man sich die Maßnahmeform WfbM als Beispiel, so trägt die BA hier in der Regel nur die Maßnahmen im Berufsbildungsbereich. Im Arbeitsbereich werden die Maßnahmen in der Regel vom Sozialhilfeträger bezahlt.

Egal welche dieser drei Möglichkeiten es ist, fest steht, dass bei einer umfassenden Aufgabenkritik der BA jene Aufgaben, die sich auf Menschen mit Behinderung beziehen, nicht interessant zu sein scheinen.

Ein kleiner Nachschlag noch:
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Was Wikileaks indirekt entlarvt

Jenseits dessen, was Wikileaks veröffentlicht hat, entlarvt der Umgang von Regierungen und Presse mit ihnen viele Strukturen und Denkweisen.

Ob der Vorschlag von Sarah Palin, Assange zu töten, das massive Vorgehen des erklärten Whistleblowing-Befürworters Obama gegen Whistleblower in US-Behörden oder wie leicht Firmen wie Amazon, Paypal oder Banken sich zu Erfüllungsgehilfen von Regierungen machen. Und natürlich nicht zu vergessen, wie sich das Vorgehen der schwedischen Strafverfolgung veränderte, als das amerikanische und öffentliche Interesse an Assange stieg.

Jetzt reiht sich auch Twitter in den Reigen ein und gibt Nutzerdaten von Wikileaks-Unterstützern an die US-Regierung heraus. Aus Betroffenen-Perspektive hat Rop Gonrijp das sehr ausführlich geschildert.

Das zeigt nicht nur, dass auch Twitter bereitwillig kooperiert, sondern auch, dass wir beim Neudenken unserer Privatsphäre die Unternehmen als Gefahrenquelle nicht ignorieren dürfen. Das Argument, dass Facebook, Google und Co. uns nicht als Kunden verlieren möchten und deshalb nichts gegen unsere Interessen mit unseren Daten anstellen ist m.E. für sich schon wackelig. Twitters bereitwillige Herausgabe von Daten zeigt aber darüber hinaus, dass wir auch mitdenken müssen, was jene, denen die Unternehmen die Daten aushändigen, damit machen.


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Neues aus dem Paralleluniversum – Westerwelle

Westerwelle bei Dreikönigsrede (Bild: tagesschau.de)

Westerwelle bei Dreikönigsrede (Bild: tagesschau.de)

Erinnert ihr Euch noch an meinen Taxifahrer aus einem Paralleluniversum? Als ich anfing, das Kommentar von Steffen Hebestreit zu Westerwelles heutiger Dreikönigsrede zu lesen, dachte ich für einen kurzen Moment, dass Herr Hebestreit aus genau jenem Paralleluniversum kommen muss:

Das liberale Wintertheater endet an diesem Dreikönigstag von Stuttgart mit einer ebenso kämpferischen wie überzeugenden Rede des alten und wohl auch künftigen Vorsitzenden der Freien Demokratischen Partei.

Es scheint aber eher so zu sein, dass Herr Hebestreit mit der Ironie heute ein wenig zu doll betrieben hat, so dass es meinem feierabendlich ermüdeten Geist beim ersten Lesen nicht gelang, sein Kommentar als Satire zu erkennen.
Eigentlich ist es nämlich ganz deutlich zu erkennen, dass nicht Herr Hebestreit aus dem Paralleluniversum stammt, sondern Herr Westerwelle und seine Partei:

Denn jetzt müssen die Liberalen nur noch das Kunststück vollbringen, den Rest der Welt von ihrer Weltsicht zu überzeugen.

Michael Spreng sieht das übrigens ähnlich, allerdings glaubt er, dass es zumindest noch das selbe Universum ist. Er nennt Westerwelles Rede eine “Rede vom anderen Stern“. Ich glaube, das ist mir zu nahe…

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Politikawards? Na prost!

Da liest man unschuldig Zeitung, und stolpert dann darüber, dass da der Ausdruck “Nachwuchspolitiker des Jahres 2010” in direkter Nachbarschaft des Namens “Jens Spahn” steht.

Daraufhin gingen mir folgende Gedanken in folgender Reihenfolge durch den Kopf:

  1. Jens Spahn? Den kenne ich doch. Das war doch der, der im September behauptet hat, Unzufriedenheit sei ein Qualitätsmerkmal von Gesetzesvorhaben.
  2. Und der ist wirklich Nachwuchspolitiker des Jahres 2010?
  3. Ist er wirklich…
  4. Die Jury, die das entschieden hat, hat wahrscheinlich das selbe zu Mittag gehabt, wie die, die entschieden hat, das eine WM im Sommer in Katar eine gute Idee ist.

Also habe ich mal geguckt, was das für eine Jury ist. “Politikaward”, heißt das ganze. Die Namen sind nicht so spannend. Interessanter ist, wem die so diese Awards verliehen haben. Vorgänger von Spahn als Nachwuchspolitiker sind z.B. Paddi Christian Lindner (2008, FDP) und Silvana Koch-Mehrin (2004, FDP). Die Namen ihrer Preisträger schreiben sie auch nicht immer richtig. Der Nachname von Karls Cousin Lothar schreibt sich nunmal nicht “de Mezière” sondern “de Maizière”.

Am schönsten fand ich, dass sie 2006 Otto Schily den Award für sein Lebenswerk gegeben haben mit folgender Begründung:

In der Begründung der Jury hieß es: Von Otto Schily werde man in Zukunft sagen, dass er noch ein Typ war, Kerl, Querkopf, unberechenbar, aber hart in der Sache, kontrovers, bisweilen herrisch, doch auf ansprechendem Niveau stets unterhaltsam, ein Politiker eben, wie es ihn heute nicht mehr gebe.

Was ist das denn für ein Grund, jemandem einen Politikpreis zu verleihen? Deine Politik war schlecht, deine Umgangsformen auch, aber wir haben mal herzlich gelacht? Das würde dann auch wieder den Preis für Herrn Spahn erklären…

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Privatsphäre neu denken

In seinem Vortrag “Freedom in the cloud” (Audio und Video zum Download hier, Video bei Youtube hier und hier, Transkript hier) im Mai und dem Folgevortrag bei der Debconf im August hat Eben Moglen eigentlich vor allem darüber geredet, wie zukünftig die de-facto Server-Client-Struktur des Netzes zur ursprünglich gedachten “network of peers” zurückgeführt werden muss, um Freiheit zu ermöglichen.

Dabei kam aber ein spannendes Nebenprodukt heraus, das ich hier einmal kurz beleuchten möchte. Moglen hat vorgeschlagen, dass wir das Konzept “Privatsphäre” neu denken müssen:

They still think of privacy as “the one secret I don’t want revealed” and that’s not the problem. Their problem is all the stuff […] that they don’t think of as secret in any way but which aggregates to stuff that they don’t want anybody to know. Which aggregates, in fact, not just to stuff they don’t want people to know but to predictive models about them that they would be very creeped out could exist at all.

Die “they”, von denen er spricht, sind seine Jura-Studenten, die benutzt er aber in diesem Teil des Vortrags als Äquivalent für “Selbst Leute, die drüber nachgedacht haben müssten”.

Sinngemäße Übersetzung:

Sie verstehen unter Privatsphäre immer noch “Das eine Geheimnis, dass ich bewahren möchte.” Und dieses eine Geheimnis ist nicht das Problem. Das Problem sind all […] die Informationen, die sie nicht als geheim erachten, aber die zu Informationen zusammengeführt werden können, von denen sie nicht möchten, das jemand anders sie weiß. Die sogar zu Vorhersagemodellen über sie zusammengeführt werden können, wo sie sich gruseln würden, dass diese überhaupt existieren können.

Das Prinzip hinter dieser Zusammenführung ist einfach: Wenn ich genug weiß, kann ich durch Schlussfolgern auch die Lücken füllen, über deren Inhalt ich nichts weiß. Jeder, der schon mal ein Sudoku-Rätsel gelöst hat, kennt das.

Übertragen auf unser gesellschaftliches Leben mit dem Netz bedeutet das, dass ein Nutzer zwar entscheiden kann, dass er Information a irgendwo angibt (Quelle 1), weil sie kein Geheimnis ist. Dass er wo anders (Quelle 2) Information b angibt, weil sie kein Geheimnis ist usw. Information c gibt er nicht her, weil er sie als geheim/privat betrachtet.

Soweit so gut. Wenn jetzt aber jemand sowohl Zugang zu Quelle a, als auch zu Quelle b hat und aus einer dritten Quelle (die durchaus auch allgemein bekannt sein kann) noch die Information hat, dass wenn a und b zusammen auftreten immer auch c gilt, dann ist es um die Geheimhaltung von c geschehen.

Nun könnte man sagen: “Der Idiot, was gibt der auch Informationen preis, von denen er weiß, dass man private/geheime Informationen schlussfolgern kann!”

Und genau das ist der Knackpunkt. Das weiß er womöglich nicht. Und zwar aus 3 Gründen:

  1. Weiß er womöglich nicht, dass jemand Quelle 1 und Quelle 2 zusammenführen kann.
  2. Weiß er womöglich nicht, dass man aus a und b -> c herleiten kann.
  3. Ist das System aus Informationen womöglich deutlich komplexer als obiges Beispiel.

Solange noch alles wenig komplex ist, bleibt es für den Menschen noch überschaubar (Sudokus bewegen sich naturgemäß im Grenzbereich dieser Überschaubarkeit). Aber irgendwann wird die Komplexität der Zusammenhänge so hoch, dass es unmöglich wird, ohne Hilfe von Computern und/oder bestimmten Algorithmen einzuschätzen, auf welche Informationen sich aus den vorhandenen Daten schließen lässt.

Und genau an diesem Level an Komplexität sind wir angekommen. Wir platzieren einzelne Informationen, die kein Geheimnis sind, an unterschiedlichen Stellen und können ohne Computer nicht mehr einschätzen, ob sich mit Computern weitere Informationen daraus ableiten lassen.

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Er ist nicht sicher, aber trotzdem sicher.

Ich glaube, Herr de Maizière experimentiert mit der selben Form neuer Logik, an der sich auch die Deutsche Bahn damals verbogen hat.

Jetzt erzählt er uns nämlich, der elektronische Personalausweis sei zwar nicht sicher, aber trotzdem sicher:

Da fehlen mir echt die Worte.

via Fefe: erst hier, dann hier

Unzufriedenheit als Qualitätsmerkmal von Gesetzesvorhaben

Ein kurzes Interview, dass ich heute morgen auf NDR Info hörte, hat mir eine Möglichkeit aufgezeigt, mir die handwerklichen Mängel und fehlende Nachvollziehbarkeit vieler Gesetzesvorhaben und anderer Verwirklichungen politischer Pläne zu erklären.

In besagtem Interview kommentiert der CDU-“Gesundheitsexperte” Jens Spahn die gerade vom Kabinett verabschiedete Gesundheitsreform. Der Journalist, der das Interview mit Spahn führte, eröffnete in der Anmoderation, dass alle Interessenverbände (Kassen, Ärzte, Versicherte, Arbeitgeber) gegen diese Reform seien und konfrontierte Spahn dann mit der Eingangsfrage: “Haben die alle ihre Argumente nicht verstanden, oder ist diese Reform wirklich so schlecht?”

Antwort Spahn:

“Wenn alle protestieren, haben wir offenbar den richtigen Kompromiss in der Mitte gefunden.”

Öhm… Nein, Herr Spahn. Wenn alle protestieren, haben sie wahrschneinlich komplett vorbeigeschossen.

Aber wenn das Qualitätskriterium der Bundesregierung eine möglichst breit gestreute Unzufriedenheit ist, dann wundert mich ehrlich gesagt gar nichts mehr…

Damit bekomme zwei Aussagen, die er in seinem Promo-Video 60 Sekunden mit Jens Spahn tätigt auch einen ganz neuen Sinn:

“Mein Politisches Ziel für dieses Jahr ist, in der Gesundheitspolitik mal eine Reform zu schaffen, die mal länger hält als 2-3 Jahre […]”

und

“Ich denke, dass die CDU die einzige Volkspartei der Zukunft ist, weil wir als einzige noch alle Bevölkerungsgruppen repräsentieren […]”

Unter dem Ziel der möglichst breit gestreuten Unzufriedenheit heißt das, dass er uns endlich mal eine Gesundheitsreform zukommen lassen will, mit der wir mal länger als 2-3 Jahre unzufrieden sind, und dass die CDU die einzige Partei ist, die noch alle Bevölkerungsgruppen verärgern kann.

Also ich weiß nicht, Herr Spahn. Ich glaube, sie haben da bei NDR-Info einfach Mist geredet.

US-Politiker: Behinderte Kinder sind Strafe Gottes für Abtreibung

Ich muss echt regelmäßiger auch meine englisch-sprachigen Quellen sichten. Dann wäre mir nicht entgangen, dass im Februar 2010, Robert G. Marshall ein US-Abgeordneter aus dem House of Delegates des Staates Virginia wahrlich mittelalterliche Thesen verkündet hat:

The number of children who are born subsequent to a first abortion with handicaps has increased dramatically. Why? Because when you abort the first born of any, nature takes its vengeance on the subsequent children.

Übersetzung des Zitats:

Die Anzahl behinderter Kinder, die Müttern geboren werden, die ihr erstes Kind abgetrieben haben, ist dramatisch angestiegen. Warum? Wenn man das Erstgeborene von egal wem abtreibt, dann nimmt die Natur Rache an den nachfolgenden Kindern.

Jetzt könnte man ja denken, dass der Mann womöglich glaubt, es gebe tatsächlich ernstzunehmende Daten, die einen medizinischen Zusammenhang zwischen Abtreibung des ersten Kindes und der Behinderung weiterer Kinder nahelegen und diesem Glauben sehr unglücklich Ausdruck verliehen hat.
Aber nein, er weiß auch genau, warum das alles so ist. Seine Erklärung steht in der Bibel:

Der Herr sprach zu Mose: Erkläre alle Erstgeburt als mir geheiligt! Alles, was bei den Israeliten den Mutterschoß durchbricht, bei Mensch und Vieh, gehört mir. (Exodus 13:1-2)

Er erklärt:

In the Old Testament, the first born of every being, animal and man, was dedicated to the Lord. There’s a special punishment Christians would suggest.

Übersetzung des Zitats:

Im Alten Testament wurde das Erstgeborene eines jeden Wesens, ob Tier oder Mensch, dem Herrn geweiht. Wir haben es hier also mit einer besonderen Bestrafung zu tun, würden wir Christen sagen.

Also unter dem Strich: Behinderte Kinder sind Gottes Strafe für Abtreiberinnen (<- Na klar werden hier nur die Frauen bestraft, oder?), die dem Herrn das ihm zustehende Erstgeborene vorenthalten.

Wer es nicht glauben mag, hier gibt’s das Zitat auch zu hören: (Was danach in der Sendung kommt, ist auch ganz spannend. Geht aber nicht um Abtreibung oder Behinderung, sondern um Diskriminierung von Homosexuellen in Virginia)

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Davon abgesehen hat seine Logik auch noch in sich ein Loch. Wenn es Gottes Strafe ist, wieso verzeichnen wir dann jetzt angeblich einen dramatischen Anstieg von Geburtsdefekten, die auf eine Abtreibung folgen? Fand Gott es früher nicht so tragisch und hat es sich jetzt anders überlegt?

Inzwischen hat Mr. Marshall (der in manchen US-Blogs inzwischen Sideshow-Bob genannt wird [1] [2]) sich für seine Äußerungen entschuldigt sein Bedauern dafür zum Ausdruck gebracht, dass seine Worte missverstanden wurden.
Diese Sorte Nicht-Entschuldigung gehört ja für viele Politiker zum normalen Sprachgebrauch. Es kommt aber auch eine klare Aussage hinterher:

I don’t believe that disabled kids are God’s punishments, period, end of discussion.

Übersetzung des Zitats:

Ich glaube nicht, dass behinderte Kinder Gottes Strafe sind. Punkt. Ende der Diskussion.

Hört sich soweit gut an. Auf die Frage des Interviewers, was er denn dann sagen wollte, sagt Marshall, dass er lediglich auf den medizinischen Zusammenhang zwischen Abtreibung und bestimmten angeborenen Defekten hinweisen wollte und zitiert dabei verschiedene medizinische Fachzeitschriften.
Und schiebt dann noch ein Schmankerl hinterher:

This is nature. It’s the same thing if you’re talking about getting drunk. If God made nature, and made alcohol with certain characteristics, He’s not to blame for me getting drunk and getting in a car and killing someone, […]. This is the order of nature. You do these things, you pay consequences. That’s not controversial.

Übersetzung des Zitats:

Das ist einfach die Natur. Es ist das gleiche Prinzip, wie wenn wir über das Saufen reden. Wenn Gott die Natur gemacht hat und Alkohol mit bestimmten Eigenschaften ausgestattet hat, dann ist ER nicht schuld, wenn ich mich besaufe, ein Auto besteige und jemanden totfahre. Das ist die Ordnung der Natur. Wenn man diese Dinge tut, dann muss man die Konsequenzen tragen. Das ist doch unstrittig.

Wie soll man das verstehen, Mr. Marshall? Gott straft nicht aktiv im Moment der Geburt des zweitgeborenen Kindes, aber er richtet die Natur so ein, dass man schon die Konsequenzen trägt, wenn man ihm das ihm zustehende Erstgeborene enthält? Für mich hört sich das weiterhin sehr nach Strafe an.

That’s not controversial? Like hell it is…

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Menschen mit Behinderung – Kampf gegen Armut und soziale Isolation

Am 19.05. kam auf der Seite der EU-Kommission eine Nachrichtenmeldung mit dem Titel “People with disabilities – fighting poverty and social isolation” heraus, in der eine kurze Bestandsaufnahme der EU zur Situation behinderter Menschen formuliert wird und ein Ausblick auf die Strategie der EU-Kommission auf die behinderten-politische Ausrichtung für die Jahr 2010-2020 gegeben wird. Hierbei geht es vor allem um die Umsetzung der UN-Konvention.

Diese Strategie wird im Rahmen der nächsten Fassung des DAP, des “Disability Action Plan” veröffentlicht werden, von dem auch im Text die Rede ist. Der DAP 2010-2020 wird im Herbst erwartet.

Der Text liegt leider nur auf Englisch vor, daher habe ich mal kurzerhand eine “Quick and dirty”-Übersetzung angefertigt. Falls jemandem sinnverfälschende Fehler auffallen, immer her mit den Korrekturen!

Hier also meine Übersetzung des Textes:

Menschen mit Behinderung – Kampf gegen Armut und soziale Isolation

Menschen mit Behinderungen sind häufiger arbeitslos oder leben von geringen Einkommen als ihre nicht behinderten Entsprechungen. Des weiteren haben sie es schwerer, Zugang zu Waren und Dienstleistungen zu erhalten, die die meisten Menschen für selbstverständlich halten. All dies bedeutet, das für behinderte Menschen ein signifikant hohes Risiko für Armut und soziale Isolation besteht.

Einer der effektivsten Wege, Armut zu entgehen, ist es, Arbeit zu finden und zu behalten. Unglücklicherweise stellt für viele Menschen mit Behinderung die Teilhabe am Arbeitsleben eine Herausforderung dar.

Ein Sechstel der europäischen Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter ist als behindert klassifiziert, aber sie haben Schwierigkeiten bei der Jobsuche. Die Beschäftigungsrate für behinderte Menschen in der EU ist etwa 50% (gegenüber 68% für den Rest der Bevölkerung). Und nur 20 % der Menschen mit schweren Behinderungen haben am Arbeitsleben teil.

Leer ausgehen

Bildung wird auch als der zentrale Ausweg aus Armut angesehen. Aber auch hier stellen Menschen mit Behinderung fest, dass Ihre Chancen schlecht stehen. Sie erreichen nur halb so häufig einen Bildungsabschluss dritten Grades als nicht behinderte EU-Bürger.

Selbst behinderte Menschen mit einem höheren Bildungsabschluss arbeiten seltener in hochqualifizierten Berufen als ihre nicht behinderten Entsprechungen.

Unglücklicherweise ist für Menschen mit Behinderung die Gefahr sozialer Isolation genau so groß wie die Gefahr ökonomischer Marginalisierung. Zum Beispiel hat eine von zwei behinderten Personen noch nie an Freizeit- oder Sportaktivitäten teilgenommen.

Ein Drittel der behinderten Bevölkerung Europas ist noch nie ins Ausland gereist oder hat auch nur einen Tagesausflug unternommen, wegen Problemen, die durch unzugängliches Gelände oder durch erschwerten Zugang zu Diensten und Dienstleistungen verursacht sind.

Selbst das Pflegen sozialer Kontakte ist eine Herausforderung, da behinderte Menschen im Vergleich zu nicht behinderten Menschen seltener ihre Freunde und Familie regelmäßig sehen.

Handeln

Schätzungen zufolge gibt es ca. 65 Millionen behinderte Menschen in der EU. Was sollte also getan werden, um ihnen zu helfen, sich gegen das Zwillingsgespenst von Armut und sozialer Exklusion zu erwehren?

Die EU hat behinderten Menschen mit dem “Disability Action Plan (DAP)” 2004-2010 geholfen, Gleichheit und Inklusion zu erreichen.

Das Ziel war, sicherzustellen, dass behinderte Menschen eine vollständige Rolle in der Gesellschaft zu den selben Bedingungen wie andere spielen können, sowie ihre eigenen Entscheidungen treffen können. Der DAP wurde daher dafür verwendet, um Beschäftigungs- und Bildungsaussichten von Menschen mit Behinderung zu verbessern und ihren Zugang zu Waren und Dienstleistungen anzukurbeln.

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BMAS-Broschüren zum Persönlichen Budget

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat neue Broschüren zum Trägerübergreifenen Persönlichem Budget veröffentlicht. Diese können kostenlos bestellt, aber auch als PDF heruntergeladen werden:

Leider steht in beiden nichts wirklich konkretes drin. Es bleibt bei einer groben Beschreibung und wohin man sich wenden muss, wenn man Interesse hat. Soweit so sparsam.
Die Möglichkeit das persönliche Budget für Assistenz-Dienstleistungen im Arbeitsleben zu nutzen, wird nicht einmal erwähnt. Schade.